Ich bin Anwalt. Die Wahrheit ist mir egal

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[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]Herr Rabe, wie beginnen Sie das Gespräch mit einem Mörder?

Oft ruft mich die Polizei an, ich fahre zur Wache, werde in ein Vernehmungszimmer geführt, und da sitzt die Person, allein. Die Tat ist manchmal nur ein paar Stunden her. Ich stelle mich vor, komme aber meist nicht weit, weil viele Mandanten gleich losreden. Manche quellen förmlich über.

 

Wie kommt das?

Sie sind unheimlich aufgeregt und wollen erfahren, was jetzt passiert. Sie wissen, dass alle gegen sie sind und dass nur der Anwalt ihnen helfen kann.

 

Fragen Sie gleich zu Beginn: Waren Sie es?

Nein, wenn sich die U-Haft ohnehin nicht vermeiden lässt, gibt es keinen Zeitdruck mehr. Die Gesprächssituation auf der Polizeiwache ist auch eher schwierig. Da warten Beamte vor der Tür. Wir reden sehr leise, 20 Minuten, maximal eine Stunde. Die Frage „Waren Sie es?“ kommt erst später. Bei manchen Anwälten sogar nie. Die bitten ihre Mandanten: Sagen Sie mir nichts.

 

Warum?

Erstens, weil sie glauben, dass es sie hemmen könnte, wenn sie zu viel wissen. Verteidige ich jemanden genauso engagiert, wenn ich weiß, er war’s? Ich kann für mich sagen: Ja. Aber das ist nicht bei jedem so.

 

Und zweitens?

Ich darf als Verteidiger keine Zeugen benennen, von denen ich weiß, dass sie lügen. Angenommen mein Mandant sagt, er war’s, aber seine Frau würde ihm ein Alibi geben. Dann darf ich diese Frau nicht mehr als Zeugin benennen, weil ich weiß, dass sie lügen würde. Kenne ich die Wahrheit nicht, dann habe ich damit kein Problem.

 

Warum wollen Sie sie trotzdem wissen?

Ich glaube, dass ich mich sonst vieler Verteidigungsmöglichkeiten berauben würde. Nehmen Sie den Fall eines Mannes, der seine Frau im Streit erwürgt. Bei so einem Tötungsdelikt liegt der Mordvorwurf und damit die lebenslange Strafe nahe. Nur wenn ich frage, was genau passiert ist, kann ich beurteilen, ob man die Tat auch als Totschlag im Affekt sehen könnte. Und nur wenn ich den Täter reden höre, kann ich einschätzen, ob es gut wäre, ihn bei der Polizei oder beim Richter aussagen zu lassen.

 

Und, lassen Sie Ihre Mandanten oft aussagen?

Bei Tötungsdelikten meist nicht, zumindest nicht am Anfang. Da ist das Risiko zu groß, dass der Mandant unkontrolliert irgendetwas erzählt, das die Verteidigung später erschwert. Außerdem weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genug über die Ermittlungen.

 

Und wann empfehlen Sie zu sprechen?

Bei Sexualdelikten beispielsweise ist Schweigen nicht immer das Beste. Wenn der Sexualkontakt durch Sperma nachgewiesen werden kann, macht es keinen Sinn, den Sex zu leugnen. Meine Frage an meinen Mandanten ist dann, war es vielleicht einverständlich? Gibt er das an, dann könnte ihm das helfen.

Das raten Sie dann so abgeklärt? Obwohl das Opfer vielleicht tatsächlich vergewaltigt wurde?

Das weiß ich doch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Als Anwalt stehe ich ganz klar aufseiten meines Mandanten, und so handele ich auch.

 

Und wie nähern Sie sich der Frage, ob er es tatsächlich war?

Meistens einfach durch den Satz: Jetzt erzählen Sie mal. Es kommt nicht auf die Worte an, sondern auf das Vertrauen.

 

Und wenn Ihr Mandant das Vertrauen nicht hat?

Irgendwann liegt mir eine Akte vor, mit der Aussage des Opfers oder sogar mit Beweisbildern oder Videos. Wenn mich die Aussage des Opfers überzeugt, dann sage ich meinem Mandanten sehr deutlich: Das sieht nicht gut für Sie aus. Einige bleiben dabei, dass nichts passiert sei. Aber viele räumen dann doch ein, was Sache war.

 

Wie ist das, sich die Tat aus dem Mund des Mörders anzuhören?

Ich bin in diesen Momenten sehr, sehr eng beim Angeklagten, ich versuche, das Opfer da auszublenden.

 

Quelle / Das ganze Interview: https://www.stern.de[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]